Was ist "systemisch"?

Jeder systemische Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass man sich nicht auf den Problemträger konzentriert, sondern ein ganzes System in den Blick nimmt. Der Einzelne wird nur in soweit als Individuum betrachtet, wie er als Element auf das System wirkt und wie er dessen Wirkungsfeld ausgesetzt ist. So sieht die systemische Beratung und Therapie in jedem Individuum auch einen „Symptomträger“ und berücksichtigt damit, dass die Problematik, die sich am Individuum zeigt, nicht dessen ureigene und isoliert zu betrachtende Sympto­matik sein muss. Aus systemischer Sicht manifestiert sich am Problemträger eine Störung, die ihre Ursache im Gesamt­system in einem gestörten Ablauf hat. Ebenso ist natürlich der Erfolg eines Individuums zugleich der Fort­schritt eines lebendigen, lernenden Systems.

 

systemisch und systematisch

Häufig wird das Wort systemisch mit systematisch verwechselt. Der Unterschied (... at ...) wird unglücklicherweise übersehen, sogar wenn Buchtitel zitiert werden, und hier darf man doch davon ausgehen, dass man es genau nimmt.

Der Duden kennt nur das Wort systematisch, obwohl der systemische Ansatz schon seit vielen Jahren in der Wissenschaft fußgefasst hat, z.B. in der Ökologie, Soziologie und Psychologie.

Wenn die Ordnung in einem System in Bewegung ist und hier Klärungen oder Veränderungen anstehen, so dass die „systemischen“ Bewegun­gen betrachtet wer­den, dann sprechen wir von „systemdynamischen“ Prozessen. Beispiel: Systemdynamische Organisa­tionsberatung.

Das Erkennen systemischer und systemdynami­scher Zusammen­hänge ist überall dort von großem Nut­zen, wo Menschen mit Mitmenschen umgehen: bei leh­renden und leitenden, helfenden und heilenden, pflegen­den, beratenden und organisierenden Tätigkeiten.

 

systemisch und analytisch

Beim systemischen Vorgehen werden die Beziehungen zwi­schen den Mitgliedern eines sozialen Sy­stems (Familie, Gruppe, Team) ge­klärt, Konflikte bereinigt, Verstrickungen gelöst. Der Einzelne wird aber nicht in sei­nem individuellen Qualifikationsprozess unter­stützt.

Beim analytischen Vorgehen wird das Verhalten des Einzel­nen analysiert, sein Defizit wird entdeckt (Irrtum, Anma­ßung, Größenwahn, falsch gespielte Rolle), ebenso seine Stärken (Talente, Kompe­ten­zen, Entwicklungs­chancen). In einer supervi­dierten Gruppe bekommt der Einzelne die Gelegen­heit, zu lernen, zu erkennen, an seiner Selbstdar­stellung zu arbeiten oder über ein Rollenspiel ein neues Verhalten einzuüben. Aber die systemi­schen Kräfte, die ihn in eine Rolle oder ein Verhalten bringen, werden hier außer Acht gelassen.

Der systemische Ansatz ist ein Ansatz der Wechselwirkungen. Hier wird kein Subsystem analysiert, ohne die Wechsel­wirkungen zu betrachten, welche es mit anderen Subsystemen oder dem gesamten System hat. Ein guter Ansatz ist immer eine Kombina­tion: Er ist systemisch und analytisch zugleich. Denn es geht gleichzei­tig um die Qualifikation des Einzelnen im System und um die Qualifikation des Sy­stems, das Einzelne in Beziehung setzt.

 

systemisches Denken

Systemisches Denken (Systemdenken) bedeutet die Loslösung unseres Denkens von
–     richtig und falsch
–     gut und böse
–     unschuldig und schuldig.

Das systemische Denken führt dazu, dass man mehr und mehr von der wechsel­seitigen Verbundenheit des Lebens erkennt und größere Zusammenhänge statt einzelner Teile sieht. Wenn Probleme auftauchen, in der Familie oder der Organisation, wird ein Meister des Systemdenkens automatisch erkennen, dass diese Probleme aus grundlegenden Strukturen resultieren und nicht aus individuellen Fehlern oder bösen Absichten.

 
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